„Ein in goldenem Steinchenmosaik ausgeführter, mächtig verzweigter Baum breitet über den marmornen Hintergrund seine Äste. Zu zahllosen Spiralen stilisiert, überschimmern die kraus gewundenen Zweige die Marmorwände in ihrer vollen Ausdehnung. Augartig geformte Früchte, aus getriebenem Metall und Perlmutterstücken gebildet, unterbrechen diese Spirallinien. In den Ästen eingekrallt mit fest angeschlossenen Flügeln und tiefgesenktem Kopf nisten drei Raubvögel, bilden drei tiefschwarze Flecke in dem leuchtendem Gold. Man kennt K l i m t s dichterische Art, Leben darzustellen: Hoffnung, Erfüllung, immer von Drohendem überschattet. Gewöhnlich läßt er neben blühenden Körpern den Tod auftauchen.
Diesmal hätte in die Feststimmung eines Prunksaales ein solches Symbol nicht gepaßt. Aber ganz auf den ihm immer lockenden Kontrast von Freude und Unheil…, auf den Gegensatz zwischen drohenden, düsteren, kalten und sinnlich warmen Farbtönen hat der Meister nicht verzichten wollen. So sind die schwarzen, starren Raubvögel im goldenen Lebensbaum wie ein Erinnern, wie eine Mahnung eingesetzt. Links, rechts vom Beschauer blüht ein Rosenbusch, von Schmetterlingen umflattert, ganz flächig komponiert, so daß er ohne jede dazwischen liegende Perspektive die Baumspiralen schneidet. Seitlich rechts, vom goldigen Laub umflossen, steht die Tänzerin. Ein echter Klimt-Typus. Das sehnsüchtig zarte, leise geneigte Antlitz ist auf eine Emailplatte gemalt. Aus Email auch sind die eckig und schmal nach aufwärts sich biegenden Arme. Ein reicher, goldgetriebener, pastisch aufgesetzter Schmuck fällt über die dunklen Haare, umschließt als Spangen und Armbänder die Gelenke. Dann wallt das Kleid herab, oben die Körperlinie umschließend und nach unten glockenförmig sich weitend. Es soll die Phantasie all dieses phantastischen Glanzes noch übertönen. Noch goldener leuchten als der goldene Baum, noch heißer Farbe sprühen als der Rosenbusch. Dreiecke in getriebenem Metall, deren Arabesken blitzende Lichter werfen, wechseln mit Dreiecken aus Emailplatten ab.
Diese Platten tragen streifige Muster in allen Farben des Rosarot, des dunkeln und hellenden Blau, des reinen Weiß und des rötlich schimmernden Violett. Man könnte meinen, daß dieser Effekt eine weitere Steigerung polychromer Wirkung und ein Crescendo in Gold nicht mehr zuläßt. Und doch ist der blumige Wiesenrain, der als breites Band den Fries nach unten abschließt, ist diese Wiese, aus welcher der Baumstamm sich reckt, der Rosenbusch sprießt, und auf der die Tänzerin schwebend sich wiegen wird, noch farbentoller, noch glühender, von einem übermütigen Jauchzen der tausend Blumen, Blüten und Blümchen erfüllt, die K l i m t in echter Schöpfungslaune aufsprießen ließ. Es dürften wirklich an tausend Emailblumen sein, die in dem goldig-grünen Mosaikgrund des Rasens eingebettet sind. In ihrer scheinbar ausgestreuten Regellosigkeit liegt die meisterlichste Sicherheit der Fleckwirkung verborgen. Wie nun die Achse des Raumes zu Kampanillen und Kapuzinerln verstärktes Relief durch getriebene Metallstengel und Blätter erhalten; wie diese Akzente zum Baumstamm hinüberleiten, dessen Fuß von schummerig grünem Mosaik des Moosgeflechtes bedeckt ist: wie aus diesem Grün Astlöcher sich ausschneiden, aus Keramik geformte Ovale; und Rindenknorpel, die durch große Kropfperlen und Perlenschalen gebildet sind, diese Kontrastwirkungen durch die Eigenheiten der differenziertesten Materiale ausgedrückt, zeigt ein unerreichtes Können. Der zweite, die Gegenwand bildende Fries,…,wiederholt die Motive, nur daß an Stelle der Tänzerin, die wohl die frühe Jugend versinnbildlichen soll, ein Liebespaar in inniger Umarmung tritt“.
(Die Journalistin Berta Zuckerkandl in der „Wiener Allgemeinen Zeitung“ vom 23. Oktober 1911)