Immer an den Schnittstellen

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Peter Weibel: Ein Rückblick im Kunstdepot der Galerie Henze & Ketterer
An den Schnittstellen
„Alle Avantgarde kommt als Partisan aus der Deckung“, konstatiert der Kunsthistoriker Horst Bredekamp, und auf wenige hat diese Feststellung besser gepasst als auf den  Künstler und Kunstvermittler Peter Weibel, der seit Ende der 1960er Jahre im öffentlichen Raum spektakelt, agitiert und provoziert, um der Kunst neue Territorien zu erschließen und die stetige Veränderung künstlerischer Medien zu propagieren. Im Kunstdepot der Galerie Henze & Ketterer in Wichtrach / Bern hat G. J. Lischka ihm diesen Sommer eine Ausstellung eingerichtet, die Schlaglichter auf  das über vierzigjährige Schaffen dieses Kunst-Berserkers wirft  Vollrad Kutschers Porträtinstallation „Escape“ sucht den Künstler mit computerbearbeiten Bildern, Lichtprojektionen, Videosequenzen, Fotografien und Klängen zu fassen. Aber dieser Peter Weibel ist schwer zu fassen. Das wird einem klar, wenn auf drei Beamern und über Hör-Duschen sich vielerlei faszinierende Details auftun. „Ich laufe davon“, keucht der jugendliche Weibel in die vor ihm herfahrende Kamera und steigert sich in eine Hassrede auf Österreich und das Establishment hinein. „Ich bin entzweit“ spricht er  im Rhythmus der Musik seines Hotel-Morphila-Orchesters. Oder wir lesen einen Text, zerlegt in Worte, die auf die Augenlider einer jungen Frau gemalt wurden. Ausdrucksformen seiner künstlerischen Sprache. Von Anfang an weiß er nicht, wohin mit seinen Übermaß an Ideen, die er mit Verve verbreitet. Die experimentelle Literatur führt ihn zur Performance und zu performativen Aktionen, in denen er Medien kritisch analysiert: Sprache und Körper, Film und Video, Tonband und interaktive elektronische Umgebung. Wie schon seine Studienfächer Medizin, Mathematik, Philosophie, Literatur und Film nahelegen, ist ihm die Kunst nichts ohne die Wissenschaft und umgekehrt. Hier die alte Welt der Sprache, dort die galoppierende Entwicklung neuer Technologien und die daraus resultierende Beschleunigung aller Lebensbereiche, die  zu einer Transformation des Ästhetischen führt. Während dieser grundlegende Wandel hierzulande von weiten Kreisen der Gesellschaft nicht problematisiert wird, bewegt Weibel sich darin wie ein Fisch im Wasser. Aus der Konzeptkunst und den frühen Performances sind die Experimentalfilme nicht wegzudenken. Sie verströmen das Aroma der Anarchie. Unter den Wiener Aktionskünstlern Valie Export, Dieter Roth und Hermann Nitsch geht es um nichts weniger als „Kunst + Revolution“. Gleichzeitig ist das alltägliche Leben mit ironischen Reflexen ihr Laboratorium. Über das Medium Video  gelangte Weibel zur Computerkunst. Medienkunst ist seine Antwort auf die ästhetischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Internet, Fernsehen und Kino müssen zu einem neuen Format weiterentwickelt werden, so seine Konvergenztheorie. Nachdem das digitale Kino maßgeblich im Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) Karlsruhe entwickelt wurde, das er seit 1999 leitet, gilt seine ganze Aufmerksamkeit nun einem Online-Museum, in dem Medienkunst angemessen präsentiert werden soll. Denn die Bilder des 21. Jahrhunderts sind nicht länger Fenster zur Welt sondern eher Türen, durch die wir ein- und hinaustreten können. Organismen, wie Weibel sagt. Dynamische Systeme, virtuell gespeichert im Computer, nicht mehr steuerbar. Und der Mensch fungiert nur noch als Impulsgeber.
Die Ausstellung läuft bis Ende August. Informationen unter:  HYPERLINK „http://www.henze-ketterer.ch“ www.henze-ketterer.ch
IRMGARD BERNRIEDER

Peter Weibel: Ein Rückblick im Kunstdepot der Galerie Henze & Ketterer

„Alle Avantgarde kommt als Partisan aus der Deckung“, konstatiert der Kunsthistoriker Horst Bredekamp, und auf wenige hat diese Feststellung besser gepasst als auf den  Künstler und Kunstvermittler Peter Weibel, der seit Ende der 1960er Jahre im öffentlichen Raum spektakelt, agitiert und provoziert, um der Kunst neue Territorien zu erschließen und die stetige Veränderung künstlerischer Medien zu propagieren. Im Kunstdepot der Galerie Henze & Ketterer in Wichtrach / Bern hat Georg Johann Lischka ihm diesen Sommer eine Ausstellung eingerichtet, die Schlaglichter auf  das über vierzigjährige Schaffen dieses Kunst-Berserkers wirft  Vollrad Kutschers Porträtinstallation „Escape“ sucht den Künstler mit computerbearbeiten Bildern, Lichtprojektionen, Videosequenzen, Fotografien und Klängen zu fassen. Aber dieser Peter Weibel ist schwer zu fassen. Das wird einem klar, wenn auf drei Beamern und über Hör-Duschen sich vielerlei faszinierende Details auftun. „Ich laufe davon“, keucht der jugendliche Weibel in die vor ihm herfahrende Kamera und steigert sich in eine Hassrede auf Österreich und das Establishment hinein. „Ich bin entzweit“ spricht er  im Rhythmus der Musik seines Hotel-Morphila-Orchesters. Oder wir lesen einen Text, zerlegt in Worte, die auf die Augenlider einer jungen Frau gemalt wurden. Ausdrucksformen seiner künstlerischen Sprache. Von Anfang an weiß er nicht, wohin mit seinen Übermaß an Ideen, die er mit Verve verbreitet. Die experimentelle Literatur führt ihn zur Performance und zu performativen Aktionen, in denen er Medien kritisch analysiert: Sprache und Körper, Film und Video, Tonband und interaktive elektronische Umgebung. Wie schon seine Studienfächer Medizin, Mathematik, Philosophie, Literatur und Film nahelegen, ist ihm die Kunst nichts ohne die Wissenschaft und umgekehrt. Hier die alte Welt der Sprache, dort die galoppierende Entwicklung neuer Technologien und die daraus resultierende Beschleunigung aller Lebensbereiche, die  zu einer Transformation des Ästhetischen führt. Während dieser grundlegende Wandel hierzulande von weiten Kreisen der Gesellschaft nicht problematisiert wird, bewegt Weibel sich darin wie ein Fisch im Wasser. Aus der Konzeptkunst und den frühen Performances sind die Experimentalfilme nicht wegzudenken. Sie verströmen das Aroma der Anarchie. Unter den Wiener Aktionskünstlern Valie Export, Dieter Roth und Hermann Nitsch geht es um nichts weniger als „Kunst + Revolution“. Gleichzeitig ist das alltägliche Leben mit ironischen Reflexen ihr Laboratorium. Über das Medium Video  gelangte Weibel zur Computerkunst. Medienkunst ist seine Antwort auf die ästhetischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Internet, Fernsehen und Kino müssen zu einem neuen Format weiterentwickelt werden, so seine Konvergenztheorie. Nachdem das digitale Kino maßgeblich im Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) Karlsruhe entwickelt wurde, das er seit 1999 leitet, gilt seine ganze Aufmerksamkeit nun einem Online-Museum, in dem Medienkunst angemessen präsentiert werden soll. Denn die Bilder des 21. Jahrhunderts sind nicht länger Fenster zur Welt sondern eher Türen, durch die wir ein- und hinaustreten können. Organismen, wie Weibel sagt. Dynamische Systeme, virtuell gespeichert im Computer, nicht mehr steuerbar. Und der Mensch fungiert nur noch als Impulsgeber.

Die Ausstellung läuft bis 3. Dezember. Informationen unter:  HYPERLINK „http://www.henze-ketterer.ch“ www.henze-ketterer.ch

Peter Weibel – Die Kunst ist der Imker, nicht die Biene, bis 10. September in der Galerie Lisi Hämmerle in Bregenz.
bis 10. September 2011
www.galerie-lisihaemmerle.at

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