Der Geigenbauer Stephan Gies arbeitet und wohnt in einem Pumpenhaus
Trampelpfade hat Stephan Gies immer links liegen gelassen. Konventionen verachtet er wie Erfolge, die sich allein am dicken Bankkonto messen. „Von der Seele her bin ich Musiker, weiß der Moerser Geigenbauer, der gern – aber nur für sich selbst – musiziert. Das Korsett des klassischen Musikers, von der Kleiderordnung bis hin zu strikten Terminvorgaben, ist ihm zutiefst suspekt. „Vielleicht sehe ich das zu naiv, aber viele, die diese Laufbahn wählen, erwarten zuviel und enden frustriert“, so Gies. Die Musik aber kann er, der gern intuitiv spielt, sich aus seinem Leben nicht weg denken. Wer so unkonventionell lebt wie er, wird freilich nicht reich. Doch nennt er Einiges sein eigen, das unbezahlbar ist. Da wäre an erster Stelle seine Freiheit, sich von kühnen Ideen beflügeln zu lassen: Das Haus mit Garten, in dem die Familie naturbezogen leben konnte, war sein Traum, und er hatte Phantasie genug, sich vorzustellen, was aus dem Pumpenhaus werden konnte, das er für ein kleine Summe erwarb. Sein behutsamer Umbau legte dessen architektonische Schönheit frei. Dann Gies’ Mut, Träume entgegen alle Hindernisse zu verwirklichen: Um die immensen, von Architekten kalkulierten Summen für die Restaurierung, über die er nicht verfügte, zu mindern, schulterte er alle Umbaumaßnahmen selbst und konnte sich dabei auf eine Handvoll Freunde mit verschiedenen Berufen und Kenntnissen verlassen, die sich für seine mannigfache Hilfe revanchierten und über ein Jahr lang ihre gesamte Freizeit opferten.
Stephan Gies, der nach dem Abitur zu einem Zeitpunkt Restaurator werden wollte, als es diesen Ausbildungsgang noch nicht gab, und Absagen von einer Klavier- und einer Orgelbaufirma hinnehmen musste, beschied sich mit einer Schreinerlehre, auf die er eine Ausbildung zum Geigenbauer sattelte. Das Hand-Werk lobt er in den höchsten Tönen: „Die Ruhe bei handwerklicher Arbeit macht sehr zufrieden und mir kommen dabei die besten Ideen“. Die Geige sei ein sehr sinnliches Instrument mit Analogien zum menschlichen Körper und zur menschlichen Stimme. Der 44-Jährige hat sein Haus am Meer gefunden, am Repelener Meer. Hier lebt er jetzt mit seiner Ehefrau und den beiden fast erwachsenen Söhnen. Im „Souterrain“ zum Wasser hin, in dem sich üppige Trauerweiden spiegeln, wurde die Wohnung für die Familie eingerichtet. In der Etage darüber befindet sich die Werkstatt, wo Gies Instrumente repariert und restauriert. Seltener baut er neue Instrumente, weil das sehr kostspielig ist und vorfinanziert werden muss. Oft besuchen ihn Musiker und lassen sich von ihm beraten. Den größten Teil des Pumpenhauses nimmt eine Halle ein, aus der Pumpen und andere Maschinen entfernt wurden. Eine Galerie führt entlang
der Wände, deren ursprünglich Farbigkeit ebenso erhalten wurde wie das markante Fußbodenmosaik. In der Saison 2004 fanden hier erstmals Konzerte statt, die so erfolgreich waren, dass Stephan Gies sie in der laufenden Spielzeit fortsetzt und durch Kunstausstellungen ergänzt.
Information unter Tel. 028 41-24 681