Stararchitekten in Krefeld: August Biebricher
Was wohl in 100 Jahren erhalten sein wird von den repräsentativen Bauten, Nutzgebäuden und Wohnhäusern für Otto Normalverbraucher, die in diesem Jahr Richtfest feiern? Gibt es dann nur noch anspruchslose Container-Hütten hier und grandiose Erlebnis-Architektur dort? Oder findet auch unter den sogenannten kleinen Leuten eine Rückbesinnung auf Qualitätsarchitektur statt? Ein Jahrhundert zurück jedenfalls vertraten Anhänger der Reformbewegung die Auffassung, dass Schönheit und Funktionalität keine Frage des Geldbeutels sei. Architekten, Maler, Bildhauer, Goldschmiede und andere Kunsthandwerker taten sich im Deutschen Werkbund zusammen und versuchten im Austausch mit der Wirtschaft eine Basis für die entsprechende Produktion zu erarbeiten. Der Einfluss der guten Form sollte gar den Menschen selber besser machen. Doch etwas kam dazwischen: Die große Kölner Ausstellung des Deutschen Werkbundes wurde wegen Ausbruchs des ersten Weltkriegs im August 1914 vorzeitig abgebrochen. Von diesem jähen Ende betroffen war auch das „Kleine Gehöft“ in dem dort aufgebauten „Niederrheinischen Dorf“. August Biebricher hatte es entworfen und präsentierte es in der Schau neben einem Werkbund-Theater, einer Musterfabrik, einem Glaspavillon, einer Festhalle und einer Galerie, entworfen von der Avantgarde jener Jahre – Henry van de Velde, Walter Gropius, Bruno Taut, Peter Behrens, Hermann Muthesius und Josef Hoffmann. Die Beteiligung adelte den Architekten Biebricher, der seit 1905 in Krefeld lebte und sich von Anfang an ins Bauwesen der Stadt eingemischt hatte. Sein erster Arbeitgeber, der Herborner Architekt Ludwig Hofmann, betraute ihn damals mit der Bauausführung der Pauluskirche in Krefeld. Seine Arbeit überzeugte offensichtlich, denn Peter Behrens holte Biebricher in sein Düsseldorfer Büro, und wenig später erhielt er einen Lehrauftrag für Architektur und Raumkunst an der 1904 gegründeten Handwerker- und Kunstgewerbeschule Krefeld. Seine Heirat mit Anna Scheibler war für Biebricher dann die Eintrittskarte in die gehobenen Kreise der Stadt, entstammte seine Frau doch einer angesehenen mennonitischen Fabrikantenfamilie. Der Verbindung entsprangen die Töchter Charlotte und Margarethe. Fünf Jahre, von 1924 bis 1929, war Biebricher gar Stadtverordneter. 1932 starb er kurz nach seinem 54. Geburtstag an den Folgen einer Operation.
Seine zahlreichen architektonischen Hinterlassenschaften, die Dr. Julian Heynen in der Biographie des Architekten „gediegene Bauten für geordnete Verhältnisse“ nennt, mit ihrer unverwechselbaren stilistischen Handschrift aus historisierenden und neoklassizistischen Elementen halten August Biebricher im Gedächtnis der Krefelder. Seit 1981 trägt eine Straße seinen Namen.
An Aufträgen hatte der junge Architekt in den Jahren vor Kriegsausbruch wahrlich keinen Mangel: Von der Tribüne für den Besuch Kaiser Wilhelms II. (1906), über Villen für Seidenfabrikanten, Wohn- und Geschäftshäuser bis hin zum Fabrikgebäude, dem damaligen Realgymnasium und dem Stadtpark-Restaurant tummelte sich der umtriebige Biebricher auf unterschiedlichen architektonischen Feldern. Nach Kriegsende nahm er seine Tätigkeit umgehend wieder auf und entwarf neben einer großen Zahl einzelner Wohnhäuser auch Häuserzeilen mit Wohnungen für Offiziersfamilien der belgischen Besatzungstruppen und andere Siedlungsbauten.