Ihr Gesicht füllte die große leere Bühne. Nicht das übermütige junge mit den blitzenden Augen und dem lächelnden Mund, nein. eines aus ihren späten Jahren hatte ich den ganzen Abend über vor meinem geistigen Auge, ernst beobachtend, wie die TänzerInnen des Tanztheaters Wuppertal ihrer gedachten. Was die wenigen Gefährtinnen aus den Anfängen aufriefen, um auszudrücken den unbeschreiblichen Verlust, um schmerzende Leere zu umreißen, die bei ihrem Tod alle erfüllte, die sie liebten. Zehn Jahre ist das nun her. Wie sollten die jüngeren TänzerInnen eine Form für ihre Verehrung finden? Sie ahmten ja jene charakteristischen Bewegungen nur nach, die Pina Bausch mit ihrem Ensemble Schritt für Schritt, Geste für Geste, Kopfbewegung für Kopfbewegung gefunden hatte: schlüssig, genau, treffend.
Wäre es nicht wundervoll gewesen, wenn sie, eine nach der anderen und einer nach dem anderen ihre eigene Erfindung dargebracht, Pina zu Füßen gelegt hätten?
So wurden Musiker gespielt, die Erinnerungen an glanzvolle Aufführungen wachriefen, collageartig zusammengefügte Splitter wurden getanzt, witzig bis melancholisch, allen Bausch-LiebhaberInnen vertraut. Berührend der Trauermarsch der TänzerInnen mit hoch erhobenen Armen, den Kopf tief nach hinten in den Nacken gelegt.
Mir wurde an diesem Abend im Oktober 2019 klar, dass der Geist von Pina Bausch nur weiterleben kann, wenn Ihre Musealisierung beendet wird. Tanz lebt aus dem Augenblick, und jede Bewegung übersetzt Fühlen und Denken, die Tanzenden verkörpern ihre Zeit wie die Lichtpunkte eines Prismas. Die Zeiten aber haben sich gewandelt, zugespitzt, wie also sollen die Choreographien von Pina Bausch in werkgetreuer Aufführung fassen, was uns erfasst? Im Repertoire sollten Pinas Choreographien regelmäßig auf dem Spielplan stehen, aktuelle Arbeiten aber sollten das Zentrum bilden. Pina würde lächeln.