Über Petzolds Berlinale-Beitrag „Undine“ habe ich mit Freunden viel geredet und musste erst selbst wieder auftauchen aus der Verzauberung einer fesselnden Erzählung in schönen Bildern. Nach und nach schälte sich die ganze Komplexität und Tiefe dieses Film heraus. Brilliant, wie der Regisseur das Märchen umdreht: Die Nixe tötet zwar, wie der Mythos es will, den Mann, der sie entgegen seines Versprechens verlassen hat, aber sie rettet einem anderen Mann, den sie mehr liebt als sich, das Leben, das er aber aufgibt, um ihr zu folgen in die Tiefen. Verspielt überträgt der Regisseur diese alte Mär in die Gegenwart. Ganz im Ursprung der romantischen Novelle – dem besonderen Ereignis – begegnet ein Industrietaucher der zur Menschenfrau verwandelten Undine, die als Historikerin tätig ist. Raffiniert vermittelt der Film, sie in ihrer Arbeit begleitend, Berliner Stadtgeschichte bis zum Gründungsmythos zurück, wonach ein trockener Platz inmitten wüster Sumpflandschaften den Altvorderen ausreichte, sich niederzulassen. Der Film plädiert für eine Öffnung hin zu den Imaginationswelten unserer Märchen, um ein Gegengewicht zu entwickeln gegen die rasend fortschreitende Standardisierung und Ökonomisierung unserer Welt. Die Welt muss romantisiert werden!