Vertikaler Brigadier

Zum 100. Geburtstag von Heinrich Neuy. Geboren am 27. Juli 1911in Kevelaer, wechselte er mit 19 Jahren ans Bauhaus Dessau, um bei Wassily Kandinsky und Mies van der Rohe zu studieren.
Vertikaler Brigadier
„Unsere heutige Wirtschaftslage zwingt uns zur Einfachheit und Sparsamkeit,“ begründete Heinrich Neuy die Modelle, Zeichnungen und Aquarelle seiner ersten größeren Ausstellung. Und führt weiter aus: „Wir sind gezwungen, uns mit dem Notwendigsten zu begnügen. Das Notwendigste aber muss gut sein, d.h. es muss seinem Zweck vollendet dienen, seine Funktionen praktisch erfüllen, dauerhaft, billig und schön sein.“ Das waren die Maximen des Bauhauses. Das war Anfang Juni 1933 in Kevelaer.
70 Jahre später erinnerten sich eine Handvoll Kevelaerer an jenen Heinrich Neuy, der damals 22-jährig, voller Ideen, hehren Ansprüchen und Tatendrang vom Bauhaus Dessau in seine Heimatstadt Kevelaer zurück gekehrt war. Beurlaubt für ein praktisches Außensemester mit einem vierseitigen Zeugnis seines Lehrers Mies van der Rohe in der Tasche. Der Maler und Kunsterzieher Paul Wans, und der Architekt Jörg Bousart gründeten den Neuy-Kunst-Verein und wollen im Geburtshaus von Heinrich und Karl Neuy, das im Besitz von Bousart ist, an das Schaffen der Neuy-Brüder erinnern. Neben niederrheinischen Landschaftsbildern des Autodidakten Karl stehen Aquarelle, Pastelle, Acryl- und Ölgemälde sowie Siebdrucke Heinrichs im Mittelpunkt von Wechselausstellungen: Ein- bis zweimal im Jahr werden  bislang unveröffentlichte Arbeiten aus einem Fundus von rund 1700 Arbeiten vorgestellt. Ganz im Sinne interdisziplinärer künstlerischer Arbeit ist im Haus  die Musikschule Theo Büren beheimatet.
Heinrich Neuy konnten seinen Abschluss am Bauhaus nicht mehr machen. Ein Mitglied jener „vertikalen Brigaden“ musste sich fortan allein durch schlagen. Mies van der Rohe hatte in der Zwischenzeit die Auflösung seines Dienstverhältnisses am Bauhaus Dessau unterschreiben müssen und war nach Berlin gegangen. Und während  Heinrich Neuy fast das gesamte Kevelaerer Hotel „Zu den drei Königinnen“ neun Tage lang mit den visionär-hochgemuten Gegenständen seiner Studien erfüllte und großen Zulauf fand, waren bereits die Vorbereitungen für die endgültige Schließung jener Hochburg der Moderne im Gange, die am 20. Juli 1933 unter dem Druck der neuen nationalsozialistischen Machthaber offiziell vollzogen wurde. „Das Bauhaus hat mehr bedeutende Künstler unterschiedlichster Gattungen als jede andere Kunstschule des 20. Jahrhunderts in sich vereint“, bewunderte Alfred H. Barr, der Gründungsdirektor des Museum of Modern Art, New York, das Vorhaben 1927 bei einem Besuch in Dessau. Den Nazis waren die Bauhäusler jedoch ein Dorn im Auge.
„Die Zeit, in der wir leben, ist unruhig, nervös. Dieses verlangt mehr denn je eine Erholung und stärkere Betonung des geistigen und seelischen Lebens“, forderte Heinrich Neuy ganz im Sinne seiner Lehrer Wassily Kandinsky und Mies van der Rohe, als er die Moderne nach Kevelaer brachte. In einer krisenhaften Situation der Industriegesellschaft hatten sich ab 1919 Lehrende und Studierende um Walter Gropius der Frage nach der Beherrschbarkeit des Modernisierungsprozesses  mit den Mitteln der Gestaltung gestellt. Heinrich Neuy selbst nimmt sich wie das Musterexemplar eines Bauhaus-Studenten aus: Jahrgang 1911, hat er eine Tischlerlehre absolviert und danach die Kunstgewerbeschule in Krefeld besucht, ehe er sich 1930 am Bauhaus einschreibt. Dem Bauhaus-Anspruch gemäß, war das Handwerk Grundlage seines künstlerischen Schaffens, er hatte die Trennung zwischen Kunst und Produktion aufgehoben, die Hierarchie zwischen schönen und angewandten Künsten eingeebnet. Seine Wohnhausmodelle nach neuester Bauart und Skizzen von Inneneinrichtungen in neuer Wohntechnik, von  Haushaltsgegenständen und neuen Innendekorationen wollten dazu dienen, eine humanere Gesellschaft hervor zu bringen.
Eigentlich ist aber der Zauber des Anfangs schon vergangen als der 19-jährige Neuy 1930 in Dessau anfängt. Die knapp drei Jahre, in denen er u.a. bei Kandinsky, van der Rohe und Albers studierte, prägen ihn dennoch sein ganzes Leben lang. 1924 waren die Mittel für das Bauhaus Weimar auf Drängen konservativer Kreise derart gekürzt worden, dass die Verantwortlichen sich einen neuen Wirkungsort suchen mussten und  in Dessau fanden. Van der Rohe straffte den Unterricht zu einem kursähnlichen System, das wenig Raum für Experimente ließ. Die freie Malklasse war im Wintersemester 1927/28 eingerichtet worden und leitete eine neue Phase der Auseinandersetzung  um den Stellenwert der Kunst im Gesamtgefüge der Gattungen ein. Die ersten ans Bauhaus berufenen Meister waren bildende Künstler wie Paul Klee gewesen, deren Gemälde vielfach artifizielle Gegenwelten zu den tatsächlichen, als chaotisch empfundenen gesellschaftlichen Verhältnissen vorstellten. „Die Malerei wird als mitorganisierende Kraft betrachtet“, hatte Kandinsky 1926 in der ersten Bauhaus-Zeitschrift festgestellt. Ernst Kallai, der Schriftleiter dieser Publikation, konstatierte Ende der 20er Jahre einerseits eine „lediglich zweck- und konstruktionsbestimmte, massenwirtschaftlich-typisierte Sachlichkeit und  andererseits eine  „Metaphysik, die von „Traum, Vision, nacktem Seelenbekenntnis oder paradoxer Zauberkünstelei“ gekennzeichnet sei.
Von einer einheitlichen „Bauhaus-Kunst“ kann man angesichts der Bandbreite der vertretenen Stile von Spätexpressionismus über die Abstraktion bis hin zu figürlichen, sozialkritischen  und surrealistischen Darstellungen kaum sprechen. Insofern zielen die Initiatoren des Heinrich- und Karl-Neuy-Hauses in Kevelaer, wenn sie vom Bauhaus-Künstler Heinrich Neuy sprechen, auf die Grundsätze des Bauhaus-Manifests. 1947 nahm Heinrich Neuy seine Arbeit als Tischlermeister in Borghorst bei Steinfurt, der Heimat seiner Ehefrau, wieder auf. Bis zu seinem Tod 2003 schuf er Hunderte von Arbeiten, die ganz den ästhetischen Prinzipien des Bauhaus verpflichtet sind. Dieser Schatz, den seine Tochter Hedwig Seegers verwaltet, will noch gehoben werden.
Informationen unter HYPERLINK „http://www.heinrich-und“www.heinrich-und karl-ney-haus.de
IRMGARD BERNRIEDER

Zum 100. Geburtstag von Heinrich Neuy. Geboren am 27. Juli 1911 in Kevelaer, wechselte er mit 19 Jahren ans Bauhaus Dessau, um bei Wassily Kandinsky und Mies van der Rohe zu studieren.

„Unsere heutige Wirtschaftslage zwingt uns zur Einfachheit und Sparsamkeit,“ begründete Heinrich Neuy die Modelle, Zeichnungen und Aquarelle seiner ersten größeren Ausstellung. Und führt weiter aus: „Wir sind gezwungen, uns mit dem Notwendigsten zu begnügen. Das Notwendigste aber muss gut sein, d.h. es muss seinem Zweck vollendet dienen, seine Funktionen praktisch erfüllen, dauerhaft, billig und schön sein.“ Das waren die Maximen des Bauhauses. Das war Anfang Juni 1933 in Kevelaer.

70 Jahre später erinnerten sich eine Handvoll Kevelaerer an jenen Heinrich Neuy, der damals 22-jährig, voller Ideen, hehren Ansprüchen und Tatendrang vom Bauhaus Dessau in seine Heimatstadt Kevelaer zurück gekehrt war. Beurlaubt für ein praktisches Außensemester mit einem vierseitigen Zeugnis seines Lehrers Mies van der Rohe in der Tasche. Der Maler und Kunsterzieher Paul Wans, und der Architekt Jörg Bousart gründeten den Neuy-Kunst-Verein und wollen im Geburtshaus von Heinrich und Karl Neuy, das im Besitz von Bousart ist, an das Schaffen der Neuy-Brüder erinnern. Neben niederrheinischen Landschaftsbildern des Autodidakten Karl stehen Aquarelle, Pastelle, Acryl- und Ölgemälde sowie Siebdrucke Heinrichs im Mittelpunkt von Wechselausstellungen: Ein- bis zweimal im Jahr werden  bislang unveröffentlichte Arbeiten aus einem Fundus von rund 1700 Arbeiten vorgestellt. Ganz im Sinne interdisziplinärer künstlerischer Arbeit ist im Haus  die Musikschule Theo Büren beheimatet.

Heinrich Neuy konnten seinen Abschluss am Bauhaus nicht mehr machen. Ein Mitglied jener „vertikalen Brigaden“ musste sich fortan allein durch schlagen. Mies van der Rohe hatte in der Zwischenzeit die Auflösung seines Dienstverhältnisses am Bauhaus Dessau unterschreiben müssen und war nach Berlin gegangen. Und während  Heinrich Neuy fast das gesamte Kevelaerer Hotel „Zu den drei Königinnen“ neun Tage lang mit den visionär-hochgemuten Gegenständen seiner Studien erfüllte und großen Zulauf fand, waren bereits die Vorbereitungen für die endgültige Schließung jener Hochburg der Moderne im Gange, die am 20. Juli 1933 unter dem Druck der neuen nationalsozialistischen Machthaber offiziell vollzogen wurde. „Das Bauhaus hat mehr bedeutende Künstler unterschiedlichster Gattungen als jede andere Kunstschule des 20. Jahrhunderts in sich vereint“, bewunderte Alfred H. Barr, der Gründungsdirektor des Museum of Modern Art, New York, das Vorhaben 1927 bei einem Besuch in Dessau. Den Nazis waren die Bauhäusler jedoch ein Dorn im Auge.

„Die Zeit, in der wir leben, ist unruhig, nervös. Dieses verlangt mehr denn je eine Erholung und stärkere Betonung des geistigen und seelischen Lebens“, forderte Heinrich Neuy ganz im Sinne seiner Lehrer Wassily Kandinsky und Mies van der Rohe, als er die Moderne nach Kevelaer brachte. In einer krisenhaften Situation der Industriegesellschaft hatten sich ab 1919 Lehrende und Studierende um Walter Gropius der Frage nach der Beherrschbarkeit des Modernisierungsprozesses  mit den Mitteln der Gestaltung gestellt. Heinrich Neuy selbst nimmt sich wie das Musterexemplar eines Bauhaus-Studenten aus: Jahrgang 1911, hat er eine Tischlerlehre absolviert und danach die Kunstgewerbeschule in Krefeld besucht, ehe er sich 1930 am Bauhaus einschreibt. Dem Bauhaus-Anspruch gemäß, war das Handwerk Grundlage seines künstlerischen Schaffens, er hatte die Trennung zwischen Kunst und Produktion aufgehoben, die Hierarchie zwischen schönen und angewandten Künsten eingeebnet. Seine Wohnhausmodelle nach neuester Bauart und Skizzen von Inneneinrichtungen in neuer Wohntechnik, von  Haushaltsgegenständen und neuen Innendekorationen wollten dazu dienen, eine humanere Gesellschaft hervor zu bringen.

Eigentlich ist aber der Zauber des Anfangs schon vergangen als der 19-jährige Neuy 1930 in Dessau anfängt. Die knapp drei Jahre, in denen er u.a. bei Kandinsky, van der Rohe und Albers studierte, prägen ihn dennoch sein ganzes Leben lang. 1924 waren die Mittel für das Bauhaus Weimar auf Drängen konservativer Kreise derart gekürzt worden, dass die Verantwortlichen sich einen neuen Wirkungsort suchen mussten und  in Dessau fanden. Van der Rohe straffte den Unterricht zu einem kursähnlichen System, das wenig Raum für Experimente ließ. Die freie Malklasse war im Wintersemester 1927/28 eingerichtet worden und leitete eine neue Phase der Auseinandersetzung  um den Stellenwert der Kunst im Gesamtgefüge der Gattungen ein. Die ersten ans Bauhaus berufenen Meister waren bildende Künstler wie Paul Klee gewesen, deren Gemälde vielfach artifizielle Gegenwelten zu den tatsächlichen, als chaotisch empfundenen gesellschaftlichen Verhältnissen vorstellten. „Die Malerei wird als mitorganisierende Kraft betrachtet“, hatte Kandinsky 1926 in der ersten Bauhaus-Zeitschrift festgestellt. Ernst Kallai, der Schriftleiter dieser Publikation, konstatierte Ende der 20er Jahre einerseits eine „lediglich zweck- und konstruktionsbestimmte, massenwirtschaftlich-typisierte Sachlichkeit und  andererseits eine  „Metaphysik, die von „Traum, Vision, nacktem Seelenbekenntnis oder paradoxer Zauberkünstelei“ gekennzeichnet sei.

Von einer einheitlichen „Bauhaus-Kunst“ kann man angesichts der Bandbreite der vertretenen Stile von Spätexpressionismus über die Abstraktion bis hin zu figürlichen, sozialkritischen  und surrealistischen Darstellungen kaum sprechen. Insofern zielen die Initiatoren des Heinrich- und Karl-Neuy-Hauses in Kevelaer, wenn sie vom Bauhaus-Künstler Heinrich Neuy sprechen, auf die Grundsätze des Bauhaus-Manifests. 1947 nahm Heinrich Neuy seine Arbeit als Tischlermeister in Borghorst bei Steinfurt, der Heimat seiner Ehefrau, wieder auf. Bis zu seinem Tod 2003 schuf er Hunderte von Arbeiten, die ganz den ästhetischen Prinzipien des Bauhaus verpflichtet sind. Dieser Schatz, den seine Tochter Hedwig Seegers verwaltet, will noch gehoben werden.

Informationen unter HYPERLINK „http://www.heinrich-und“www.heinrich-und karl-ney-haus.de

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