Freitag, 1. Juni 1979, von den Redaktionsräumen aus den kürzesten Fußweg genommen, durch den alten Stadtpark über den Wall, hinüber in den neuen Park, den noch nicht Baumriesen dominieren sondern Wiesenflächen und Büsche. Im Freien die überdachte Bühne, die mir – wahrscheinlich in meiner Erinnerung verfälscht – heute klein vorkommt. Zuhörer scharen sich zu Füßen des Podiums, lagern dort mit kleinen Rucksäcken Schlafsäcken. Die einfachen Zelte sind noch ganz nah an der Musik. Noch kein Markt um die Musik herum. Noch keine Überlegung, die unerhörte neue Musik an Pfingsten über die Menschen kommen zu lassen wie den Heiligen Geist. Die Wüstenhitze über die Pfingstfeiertage war vergangen, aber es herrschte Sommer, wunderbarer Sommer im Park, der nach grünem Gras roch, nach Jasmin und atmenden grünen Blättern.
Mein erstes New-Jazz-Festival als Feuilleton-Redakteurin der Rheinischen Post begann mit dem Auftritt Sun Ras und seiner extraterristischen Musikanten. Unbeleckt von aller popmusikalischer Theorie, von „dislocated people“ und ihren musikalischen Sinnsuchen in der Tiefsee und im All, kam die Wucht dieses selbsternannten glitzernden Gottes über mich wie der Platzregen und das Gewitter, die der große Zauberer zu beschwören schien. Von dem, was gesungen wurde, im Chor oder einzeln, verstand ich nur Fetzen, und dabei sollte ich doch mehr verstehen als die Mehrheit, um darüber nicht nur beschreibend sondern erklärend und wertend berichten zu können. Doch wie emotional da Flöte, Saxophon und Trompete, Gitarre und Bass fetzten und piepsten, schluchzten und schrillten, das packte mich und ließ mir Ohren und Herz aufgehen. Was ich darüber schrieb, weiß ich nicht mehr, aber der aktuelle Auftritt des Sun Ra Arkestra zum Abschluss des Samstagsprogramms zeigte mir, dass diese Musik gültig blieb und gültig bleiben wird, weil sie in einer Zeitkapsel reist, die, egal, wo und wann sie landet, authentisch ist.