„Ich habe ein Stück Holz genommen und angefangen“ (Georg Baselitz)
Ein Löffelschnitzer antwortet dem Philosophen Nikolaus Cusanus mit einem Gleichnis seiner Kunst des Löffelschnitzens: „ (…) wenngleich der Bildhauer wie der Maler ihre Vorbilder von den Dingen hernehmen, die nachzuahmen sie bestrebt sind, so trifft das auf mich nicht zu, der ich aus Holz Löffel, Schalen und Töpfe aus Lehm verfertige; denn bei dieser Tätigkeit ahme ich keine Gestalt von irgendeinem natürlichen Dinge nach; denn solche Formen von Löffeln, Schalen und Töpfen werden allein vermöge der menschlichen Kunst zustande gebracht (…)“
Er lebe nicht als Intellektueller und sehe sich auch nicht als kultiviert, erläutert Gilles Deleuze in dem großen Stichwort-Interview „Abecedaire“. Denn träfe er auf einen Kultivierten, so sei er schlichtweg erschüttert – aber nicht unbedingt vor Bewunderung. Für ihn sind kultivierte Leute im Besitz eines „savoir effarant“, eines erschreckenden Körpers an Wissen. Allwissend, in der Lage über alles zu sprechen. Wenn Deleuze also sagt, dass er weder intellektuell noch kultiviert sei, behauptet er, keine Wissensreserven zu besitzen, kein vorsorgendes Wissen. Alles, mit dem er sich beschäftige, sei Teil einer bestimmten Beschäftigung, und sobald diese abgeschlossen sei, vergäße er alles und müsse wieder von Neuem beginnen. Ausgenommen davon bestimmte Themen, die in Herz und Hirn fest verankert, ihn sein Lebtag lang beschäftigten.
In Ernst J. Althoffs Schaffen spielt Holz diese zentrale Rolle. „Herz-Holz“ und „Kopf-Holz“ möchte man ergänzen. Dieser Naturstoff, dessen Duft er als einen der ersten wahrgenommen haben dürfte, umgeben von ihm auch als Kind in der Tischler-Werkstatt seines Vaters. Holzmehl und Sägespäne, Reststücke, mit denen er seine ersten „Burgen“ errichtete. Feines Spanholz, aus denen der Knabe Althoff seine ersten Modellflugzeuge bastelte, um sie am Eglsberg fliegen zu lassen. Die handwerkliche Prägung durch den Vater wurde nie in Frage gestellt, er hatte ja auch sein großes Geschick im Umgang mit Holz geerbt. Diese Hand-Arbeit wurde aber bei Althoff junior von Anfang an beflügelt von immer neuen Ideen und der Freude am Experiment. Dennoch war es ein weiter Weg von den Holzvögeln, die Althoff mit einer kleinen Clique von Kunstakademie-Studenten in den 1950er Jahren als Werbeträger der „Neuen Post“ erdachte und fertigte, über Bett und Schrank für seinen Weggefährten Beuys bis hin zum eigenen Holzhaus am Nassauerring, in dem der junge Architekt Althoff mit seiner eigenen Familie ein neues Wohnmodell jenseits von „Küche, Diele, Bad, Elternschlafzimmer, Kinderzimmer, Wohnzimmer“ erproben wollte. Er versuchte, Gesetzmäßigkeiten multifunktionaler Veranstaltungsräume im Wohnungsbau anzuwenden, und schrieb dem Holzhaus die Idee dessen eigener Variabilität ein – konstruiert – dekonstruiert – rekonstruiert. So provozierte dieser große „Experimentierbaukasten“ die Verfechter des konventionellen Einfamilienhauses.
Holz war auch Althoffs Werkstoff der Wahl bei den ersten großen Ausstellungen, die er gestaltete. So in einem doppelten Sinn in der Schau „Werdendes Abendland“: Um den Charakter der Villa Hügel als bestauntes prunkhaftes Domizil zu brechen und die Aufmerksamkeit der Besucher weg von den Details herrschaftlichen Wohnen auf die sakralen Stücke der Ausstellung zu lenken, verkleidete Althoff die Wandvertäfelung aus dunklem Mahagony-Holz mit einem hellen Stoff, der wie ein Vorhang angebracht wurde. Und er erdachte neuartige Vitrinen und Podeste, um die selten öffentlich präsentierten Tabernakel und Bibelhandschriften und anderen tausendjährigen sakralen Objekte ganz nah ans Publikum heranzurücken und sie dennoch zu schützen. Für dieses Großereignis wie für die Weltausstellung in Brüssel 1958 – auch Expo für Exposition Universelle Internationale – wurden alle Holzarbeiten in der Krefelder Tischlerwerkstatt von Johannes Althoff ausgeführt. Hans Schwippert entwarf u.a. eine – anderen Entwürfen aus dem Jahr 1946 – ähnliche Esstisch-Gruppe, die – aus einfachsten Materialien gearbeitet – von der Zielgruppe zu diesem Zeitpunkt nicht verstanden wurde. Althoff kontrastierte den Schwippert-Entwurf, indem er weniger auf die handwerkliche Fertigkeit setzte wie sein Lehrer, sondern den neuartigen maschinellen Möglichkeiten der Zeit den Vorrang gab. Nicht individuelles Talent sondern der intelligente Umgang mit Maschinen sollte das Ergebnis bestimmen.
Die Zeltkonstruktion des deutschen Pavillons auf der Expo Montreal 1967 entwarf Frei Otto. Eine Bodenlandschaft, Entwurf Rolf Gutbrod, und eine „offene Bibliothek“ aus Regalen und Containern von Ernst Althoff setzten sich aus Holz- und Aluminiumelementen zusammen. Die Metallteile wurden in der Bundesrepublik hergestellt, die Holzteile fertigte der aus Deutschland geflohene jüdische Schreiner Grünwald in New York.