Monika Marose ist Felix Hartlaubs Geheimnis auf der Spur
Wer kennt noch die Namen jener verlorenene Generation von jungen Autoren, die zwischen den Weltkriegen zu schreiben anfingen? Mit vielen anderen – darunter Friedo Lampe, Eugen Gottlob Winkler und Wolfgang Borchert – zählt auch Felix Hartlaub zu den „Kriegs-Opfern“. Vielbegabte wie er, aus künstlerisch-akademischem Elternhaus, bewegten sich in den 1930er Jahren selbstverständlich in Cliquen Gleichgesinnter. Ein Überschuss an Talenten ließ auch Felix Hartlaub unschlüssig schwanken, welchen Weg er wählen sollte. Zur Jeunesse d’orée der Zwischenkriegszeit, jenen jungen und schönen, etwas müden, manieriert-gelangweilten Reichen und Klugen, zählte er jedoch nicht. Wie sehr die 32 Lebensjahre des stilbewussten Schriftstellers und Zeichners Hartlaub, dessen Spur sich in den letzten Kriegstagen im untergehenden Berlin verliert, von den Erfahrungen des Kriegs bestimmt wurden, zeigt Monika Marose in ihrer soeben erschienenen Biografie. Sie baut auf zahlreichen bisher unveröffentlichten schriftlichen Quellen und Gesprächen mit betagten Zeitzeugen auf, die den Leser behutsam an ein so kurzes wie vielversprechendes Leben heran führen. Zumal nach einigen unzulänglichen Versuchen, Felix Hartlaubs literarische Hinterlassenschaft zu edieren, erhellt diese Biografie fast vier Jahrzehnte nach Christian-Hartwig Wilkes gültigen Arbeiten das Dunkel um den Menschen Hartlaub ein wenig. Jedoch: Eine leichte Unschärfe bleibt. Wieviel von ihm selbst fließt dem Militärhistoriker Hartlaub in seiner Dissertation in die Beschreibung des Don Juan d’Austria ein? Dem er attestiert, dass Einzelnes ihm immer spielend glückte, er am Ende aber zum Scheitern verurteilt war. Der sich selbst zum Gefängnis wurde, „zeitlebens unfähig, an sich zu glauben“?
Als junger Soldat war Hartlaub unpolitisch, meint seine Biografin. Erst als historischer Sachbearbeiter in der Abteilung „Kriegstagebuch“ im so genannten Sperrkreis II des Hauptquartiers der Deutschen Wehrmacht im besetzten Paris hatte er Akteneinsicht und erkannte seine Aufgabe, die Geschehnisse um ihn herum minitiös aufzuschreiben. Freilich tat Hartlaub dies nicht als Tagebuchschreiber – wie die Aufsehen erregende Veröffentlichung „Das Gesamtwerk“ 1955 glauben machen wollte – sondern in Form eines Romanentwurfs. Im Mittelpunkt: ein fiktiver Kriegstagebuchführer, den Hartlaub als politischen Voyeur charakterisiert und mit den Mitteln der Satire desavouiert. Mitläufer und NS-Adepten bilden das übrige Personal. Hans Magnus Enzensberger hatte Felix Hartlaub Ende der 1960er Jahre Selbstverlust und einen Zerfall von Denken und Sprache vorgeworfen. Ein Kryprofaschist oder Mitläufer? Wie weit Hartlaub jedoch von der NS-Ideologie entfernt war, belegen Briefe an den Vater, die Marose erstmals sichten durfte. Darin empört Hartlaub sich über die „völlig unwahrscheinliche Fühllosigkeit“ der deutschen Besatzer, jener Offiziere, deren Ausschweifungen Ernst Jünger in seinem Pariser Tagebuch so begeistert feiert. Die Biografin unterstreicht das kritische Potenzial seiner Aufzeichnungen aus der „toten, windstillen Mitte des Taifuns“, aus dem Alltag im höchsten militärischen Stab des „Dritten Reichs“. Wie stark Hartlaub in den Widerstand gegen das NS-Regime involviert war, konnte sie nicht mehr erruieren, weil Klaus Gysi, dessen Freund im Krieg, während der Interview-Reihe schwer erkrankte und starb.
(Monika Marose, Unter der Tarnkappe, Transit Verlag, Berlin, 216 Seiten, 35 Fotos und Dokumente, 19,80 Euro)