„Die Deutschen Filmmuseen beschäftigen sich mit Mode. Berlin hat das Nachthemd von Marlene Dietrich, Potsdam die Perücke von Hans Albers und Düsseldorf die Schuhe von Kinski“, urteilte einst Werner Nekes, nun drei Jahre nach seinem Tod scheint sich seine Kritik auf traurige Weise zu bestätigen: In keinem der sieben deutschen Filmmuseen wird seine weltweit einzigartige Sammlung von Objekten zur Vor- und Frühgeschichte der audiovisuellen Medien und der Medienkunst aus den letzten fünf Jahrhunderten in ihrer Gesamtheit zu sehen sein. Der Schatz, den der Filmregisseur in fast vier Jahrzehnten aus aller Welt zusammengetragen hatte, wird auseinandergerissen. Dieser Tage wurde bekannt, dass die drei Jahre währenden Verhandlungen zu keinem guten Ende kamen. Die Witwe Ursula Rickert-Nekes hat die Sammlung an ein »Konsortium« in drei Bundesländern veräußert. Künftig teilen sich Schloss Wahn (die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität Köln), das Filmmuseum Frankfurt und die Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg die rund 20 000 Artefakte umfassende Sammlung. Nach welchen Kriterien die Aufteilung erfolgt, und ob das lehrreiche Spielzeug der Öffentlichkeit zugänglich sein wird, zeigt sich wohl am 30. Oktober bei der Vorstellung der Transaktion.
Bekannt wie ein bunter Hund war in den 1970er und 1980 Jahren der Filmemacher aus Mülheim – wo er im Bunde mit Christoph Schlingensief und Helge Schneider so manche Attacken auf Spießbürger ausheckte. Einmal besuchte er mich in der Redaktion und zauberte gleich los: Ein Schwarzweiß-Negativbild von Greta Garbo hielt er mir vor die Nase, ich sollte es eine Minute fixieren, dann die Augen schießen, und als sie wieder öffnete hatte sich mir das Positivbild der Diva ins Gehirn gestanzt.
In der Natur beobachtete Phänomene wie Licht und Schatten regten schon früh Kundige zu Experimenten an, die wiederum ihren Ausdruck in Schattentheater-Figuren fanden. Im Zuge der Erforschung des menschlichen Körpers wurde die Trägheit des menschlichen Auges entdeckt und diese Erkenntnis löste zahlreiche Versuche aus, die letztlich optische Geräte hervorbrachten: das Lebensrad, die Zaubertrommel (Praxinoskop), die Wundertrommel (Zoetrop) und das Stroboskop, Apparate, die allesamt Bewegungen vortäuschen. Werner Nekes hat ihre Bedeutung als unwiederbringlliches kulturelles Erbe erkannt und in aller Welt gesammelt. Nicht nur eine Laterna magica und Camera obscura, Guckkästen, tragbare Perspektivtheater und Panoramarollen finden sich in seiner Sammlung. Ebenso wissenschaftliche Literatur vom 13. bis zum 19. Jahrhundert, als Naturbetrachtung und Philosophie noch Hand in Hand gingen. Bunte Bilderbögen, Vexierbilder und Kupferstiche in schier unüberschaubarer Fülle. Runden den die Sammlung ab.
Im Lexikon der optischen Medien führt die Nekes-Webseite 200 Fachbegriffe von A wie Alabastra-Theater bis Z wie Zylinderanamorphose auf. Nekes’ Lumière-Cinématograph trägt die Seriennummer 423 und markiert in der Sammlung den Beginn des Kino-Zeitalters. Mit der Erfindung des Malteserkreuzes endet ein fünfhundertjähriges Bemühen, physikalische Gesetze in Apparate der Bezauberung zu transformieren: „Philosophisches Spielzeug“, konstruiert nach wissenschaftlichen Prinzipien und schön anzusehen, sollte dazu beitragen, Wissenschaft populär zu machen.